Mir wurde ein zweites Leben geschenkt

Sommer 2018

Die 22-jährige Anika genießt einen wunderschönen und erlebnisreichen Sommer, in dem sie mit ihrem Partner die Insel Mallorca erkundet, mit ihrer Familie am Bodensee unterwegs ist und ein vierwöchiges Praktikum im Rahmen ihrer Ausbildung als Physiotherapeutin an der Nordsee absolviert. „Zum Glück“, so Anika, „denn von einem auf den anderen Tag änderte sich alles, und ich brauchte die zuvor gewonnene Energie aus den vorherigen Wochen mehr als ich jemals geahnt hätte“. Was war passiert? Als Anika Anfang Oktober über heftigste Knochenschmerzen in den Rippen klagt und völlig hilflos ist, beschließt ihr Partner Marc, sie ins Krankenhaus zu bringen. Die Ärzte suchen fieberhaft nach Erklärungen, da es Anika immer schlechter geht. Nach einer Knochenmarkpunktion bestätigt sich ein schrecklicher Verdacht. Anika hat Akute Lymphatische Leukämie. Die Nachricht trifft sie wie ein Schlag und überschattet alles.

Es fühlte sich alles so surreal an

„Ich fühlte mich durch den unfassbaren Schock wie in Trance. Meiner Familie und meinem Partner ging es ähnlich, alle haben nur noch funktioniert und sich trotzdem gegenseitig aufgefangen. Das hat mir geholfen Mut zu schöpfen und mich auf die kommende Zeit einzustellen. Ich wurde in die nächstgelegene Uniklinik verlegt, dorthin wo ich tatsächlich meine Ausbildung machte und die Station und Ärzte aus Praktika-Zeiten kannte. Es fühlte sich alles so surreal an, wie in einem schlechten Film. Aber es war die Realität und ich wusste, dass ich da durchmusste“, so Anika.

Die schwere Zeit leichter aushalten

Die ersten drei Monate befand sich Anika stationär im Krankenhaus, um mit starken Medikamenten die Leukämiezellen in ihrem Körper zu vernichten. „Anfangs war es sehr anstrengend, doch jeden geschafften Tag habe ich an einem großen Kalender abgehakt – ein Ritual, das mir half, die schwere Zeit leichter auszuhalten“, so Anika. Die Intensivtherapie mit stark belastender Chemotherapie und weiteren Medikamenten dauerte bis Sommer 2019. In den Therapiepausen durfte Anika nach Hause und ihr müder Körper konnte durch die liebevolle Versorgung von Freund und Familie Kraft schöpfen.

Anika während der Behandlung
Anika während der Behandlung...
Anika nach der Behandlung
Anika nach der Behandlung!

Jede Nachsorge-Untersuchung war eine Tortur

„Während der darauffolgenden Erhaltungstherapie ging es mir körperlich prima. Ich schloss 2020 meine Ausbildung als Physiotherapeutin ab und fing an, in einem tollen Physiotherapie- Team zu arbeiten. Marc und ich zogen in eine größere Wohnung, adoptierten unseren Hund Bobbi und genossen den normalen Alltag mit herkömmlichen Höhen und Tiefen des Lebens als junge Erwachsene. Psychisch war jede Nachsorgeuntersuchung jedoch eine Tortur. Nicht nur für meine Nerven, sondern auch für alle anderen in meinem Umfeld. Die Ergebnisse, wenn sich nichts veränderte oder plötzlich wieder alles unauffällig war, erleichterten alle, bis zur nächsten Untersuchung drei Monate später. So hangelten wir uns von Quartal zu Quartal, quasi Jahr für Jahr.

Diese Monate waren die schlimmsten

„Im Sommer 2022 änderten sich jedoch die Befunde. Plötzlich zeigte sich im Knochenmark eine Dynamik an Leukämiezellen, die nicht hätte da sein sollen. Bis November wurde über das weitere Procedere nachgedacht. Diese Monate waren die Schlimmsten in den letzten Jahren. Die Ungewissheit, Unplanbarkeit und Angst waren zermürbend. Wir fuhren in den Urlaub, aber an Abschalten und Erholung war nicht zu denken. Das Handy war immer auf voller Lautstärke, um bloß keinen Anruf von Ärzten zu verpassen. Ende November zeigten die Befunde, dass gehandelt werden musste: Die einzige Überlebenschance war eine Stammzelltransplantation. Trotz des Schocks, dem erneuten Ausriss aus dem Leben, der anstehenden großen Veränderung durch die Transplantation und der Angst vor der Zukunft, war ich froh über den Plan der Ärzte.

Das schönste Geschenk nach harten Wochen

„Nach zwei Zyklen Antikörpertherapie, Eizellentnahme, (die Möglichkeit, später einmal Mama zu werden, wollte ich mir nicht nehmen lassen) und vielen Besprechungen stand der Termin zur Transplantation fest. Ein junger Mann aus Polen wollte mir seine Superzellen spenden – die Erleichterung war groß und meine Dankbarkeit nicht in Worte zu fassen. Wir wussten auch, was eine Spende bedeutet, da Marc im Jahr 2021 selbst Stammzellen an eine Patientin aus England gespendet hatte. Die Zeit in der Klinik im Rahmen der Transplantation war sehr hart. Was mein Körper in der Zeit geleistet hat, ist unvorstellbar. Das Highlight in der Zeit waren die Besuche von Marc und meiner Familie an der Fensterfront des Zimmers. Meine Liebsten haben alles gegeben. Sie waren immer für mich da. Der Moment, als ich alle wieder in den Arm nehmen durfte und frische Luft geatmet habe, ist unbezahlbar. Ich habe es so genossen, es war das schönste Geschenk nach den harten Wochen.“

Die Krankheit hat mich verändert

„Am Anfang wollte ich mir nicht eingestehen, dass die Diagnose mich verändert hat. Mein Ziel war es, wieder ganz die Alte zu werden. Mir ist aber bewusst geworden, dass diese Zeit nicht spurlos an mir vorbeiziehen kann. Meine neuen Zellen sind mir heilig und ich habe mir versprochen alles in meiner Machtstehende zu tun, um es diesen so gemütlich wie möglich in mir zu machen, sodass keine Leukämiezelle mehr eine Chance hat. Im März dieses Jahres begann für mich nach fast 1,5 Jahren die Wiedereingliederung an meiner Arbeitsstelle als Physiotherapeutin. Ich habe mir einen kleinen Traum erfüllt und eine Fortbildung als onkologische Trainings- und Bewegungstherapeutin abgeschlossen, um andere Betroffene therapeutisch auf ihrem Weg zu begleiten.“

Wir haben nicht, wie andere in unserem Alter das wilde Leben der Mittzwanziger erlebt, in dem man super viel unterwegs ist, auf Festivals geht, Fernreisen macht, im Ausland studiert, verrückte Hobbies ausprobiert o.ä., sondern uns früh mit dem Ernst des Lebens und all den Facetten, die dazu gehören, auseinandersetzen müssen. Das hat uns sehr schnell erwachsen werden lassen und zusammengeschweißt. Wir haben wie Löwen gekämpft. Ich weiß aus unseren gemeinsamen Jahren Beziehung, dass wir alles, was noch kommt, zusammen schaffen werden und das ist das schönste Gefühl der Welt.

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