„Es war die Zeit meines Lebens. Ich bin zum Studium von Düsseldorf nach Berlin gezogen. Ich war jung, die Stadt war spannend, und ich war gesund. Ich habe leistungsmäßig Tennis in der ersten Mannschaft gespielt, das Leben genossen, aber auch intensiv studiert“, erzählt Jessica Schilling von ihrem Wirtschaftsingenieurwesen-Studium Mitte der 1990er Jahre.
Auch ihre ältere Schwester Marion Subklewe startete durch. Nach ihrem Medizin-Studium in Aachen und Köln sowie der erfolgreichen Promotion bei Prof. Dr. Volker Diehl, einem der renommiertesten Forscher weltweit auf dem Gebiet des Hodgkin-Lymphoms, arbeitete sie bei Prof. Dr. Lothar Kanz in der Abteilung für Onkologie, Hämatologie, Immunologie, Rheumatologie und Pulmologie an der Universitätsklinik in Tübingen. 1996 bekam die Ärztin in Weiterbildung die große Chance, als Postdoctoral Fellow an der Rockefeller Universität in New York bei dem späteren Medizin-Nobelpreisträger Prof. Dr. Ralph M. Steinman zu forschen.
Doch im Oktober 1996 war die Welt plötzlich eine andere. „Ich hatte mich nicht gut gefühlt, aber noch eine Prüfung geschrieben, bevor ich wie geplant, heim zu meinen Eltern nach Düsseldorf gefahren bin“, erinnert sich Jessica. Zunächst vermutet der Hausarzt eine Grippe, doch der Zustand verschlechtert sich dramatisch. Im Universitätsklinikum Essen folgt eine Blutuntersuchung. Das Ergebnis ist ein extrem hoher Wert an Leukozyten. Die Diagnose ist daraufhin eindeutig: akute myeloische Leukämie.
„Ich war zu diesem Zeitpunkt auf einem Kongress in Venedig. Für mich ist eine Welt zusammengebrochen. Als Ärztin hatte ich sofort Tausende von Bildern im Kopf und habe immer wieder gedacht: Aber doch nicht meine Schwester“, erzählt Marion. Die Leukämie ist bereits soweit fortgeschritten, dass die Ärzte in Essen sofort mit einer Chemotherapie beginnen. Marion fliegt umgehend von Venedig nach Düsseldorf, um ihrer kleinen Schwester beizustehen.
Die nächsten Monate werden für die Familie eine extreme Belastung. „Es gab immer wieder Rückschläge, wie Rezidive und eine lebensbedrohliche Lungenentzündung. Mehrfach haben mir die behandelnden Ärzte gesagt, ich sollte meine Familie darauf vorbereiten, dass wir uns von Jessica verabschieden müssen“, erinnert sich Marion und sagt: „Als Schwester bin ich aus der Rolle als Ärztin nie ganz herausgekommen, zumal Jessica in Tübingen weiterbehandelt wurde, wo ich die Kollegen kannte. Diese schwere Zeit hat uns als Familie zusammengeschweißt. Ich habe mein Postdoctoral-Fellowship unterbrochen, und mein Vater, der damals 63 Jahre alt war, ist vorzeitig in Rente gegangen, um ganz für Jessica da sein zu können.“
Dann die gute Nachricht: Marion ist als Knochenmarkspenderin geeignet! Zunächst ohne Erfolg. Immer wieder muss der Eingriff verschoben werden. Marions Stammzellen werden trotzdem entnommen und bei minus 140 Grad gelagert. Dann, als Jessica allein zu einem Kontrolltermin nach Tübingen fährt, geht alles sehr schnell. Wieder verschlechtert sich der Gesundheitszustand rapide. Die Ärzte sehen nur noch einen Weg – eine sofortige Notfall-Knochenmarktransplantation.
„Während der Chemo hatten wir immer Rückschläge, aber nach der Knochenmarkstransplantation ging es Gott sei Dank nur noch aufwärts. Wie durch ein Wunder gab es keinerlei Komplikationen“, berichtet Marion.
Nach der schweren Zeit nimmt Jessica ihr Studium wieder auf. Heute, fast 30 Jahre später, sagt sie: „Ich war danach keinen einzigen Tag krank und spiele auch wieder sehr gerne Tennis“. Mittlerweile lebt sie in Hamburg und leitet als Geschäftsführerin ein Familienunternehmen. Spuren hat die Leukämie dennoch hinterlassen: „Chemo und Bestrahlung haben leider dazu geführt, dass ich keine Kinder bekommen kann. Außerdem funktioniert meine Schilddrüse nicht mehr.“
Die angehende Hämatologin und Onkologin Marion konnte ihr Postdoctoral-Fellowship in New York fortsetzen und wechselt anschließend an die Charité in Berlin, um ihrer Schwester näher zu sein. 2005 schließt sie ihre Weiterbildung zur Fachärztin für Innere Medizin ab und erwirbt 2007 die Zusatzbezeichnung Onkologie und Hämatologie. Im gleichen Jahr habilitiert sie an der Charité und wechselt 2008 nach München ans Universitätsklinikum der LMU, wo sie zunächst das Labor für Leukämiediagnostik verantwortet. Seit 2014 ist die engagierte Ärztin W2-Professorin für Innere Medizin mit Schwerpunkt „Zelluläre Immuntherapie“. 2017 wird Prof. Dr. Marion Subklewe dann Leiterin des „Laboratory for Translational Cancer Immunology“ am Genzentrum der LMU. Ihr Forschungsschwerpunkt sind zelluläre Immuntherapien, speziell gegen Akute Leukämie und B-Zell-Lymphome. So ist Frau Prof. Dr. Subklewe eine der ersten Ärztinnen in Deutschland, die eine CAR-T-Zell-Therapie durchgeführt hat.
Außerdem ist Frau Prof. Dr. Marion Subklewe Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der José Carreras Leukämie-Stiftung – ein Gremium, bestehend aus renommierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des hämato-onkologischen Fachbereiches, die die DJCLS bei der Auswahl der Forschungs- und Strukturprojekte, die gefördert werden sollen, ehrenamtlich unterstützt.
Meine Schwester hat mich in mehrfache Hinsicht das Leben gerettet: als Ärztin, als Freundin, und als Stammzellspenderin. Ich bin ihr, meinen Eltern und meinen damaligen Freund unendlich dankbar dafür, dass sie jeden Tag an meiner Seite gestanden haben und sie mir viel Kraft gegeben haben.
Jessica
Die Deutsche José Carreras Leukämie-Stiftung ist mit Bescheid des Finanzamtes München seit dem Jahr 1995 steuerbefreit, da sie unmittelbar steuerbegünstigten gemeinnützigen Zwecken dient. Die Deutsche José Carreras Leukämie-Stiftung ist berechtigt, für Spenden Zuwendungsbestätigungen auszustellen. Der Verein ist Träger des DZI-Spenden-Siegels. Dieses Gütesiegel bescheinigt gemeinnützigen Organisationen eine ordnungsgemäße Verwendung der ihr anvertrauten Spenden.