Neuer Therapieansatz: Leukämie behandeln, bevor die Krankheit ausbricht.
„Leukämie bei Kindern ist dank der immensen Forschungsanstrengungen mittlerweile oftmals gut behandelbar. Bei Erwachsenen ist die Überlebenswahrscheinlichkeit dagegen leider immer noch gering. Die José Carreras Leukämie-Stiftung verstärkt deshalb ihre Forschungsförderung, um auch diesen Patienten ein zweites Leben schenken zu können“, erklärt Prof. Dr. Hans-Jochem Kolb im Vorfeld des Weltblutkrebstags (28. Mai). Prof. Kolb ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates der José Carreras Leukämie-Stiftung sowie einer der maßgeblichen Pioniere der Stammzell-transplantation und der zellulären Immuntherapie in Deutschland. Derzeit können bei einer akuten myeloischen Leukämie nur 30 bis 40 von 100 Patienten dauerhaft geheilt werden. In der Forschung, die die José Carreras Leukämie-Stiftung fördert, geht man zudem einen ganz neuen Weg: Gefährdete Patienten sollen bereits behandelt werden, bevor die Leukämie bei ihnen ausbricht.
1975 hatte Prof. Kolb die erste erfolgreiche Stammzelltransplantation in Deutschland durchgeführt und damit einen jugendlichen Patienten gerettet. Die generelle Herausforderung war und ist, dass das Knochenmark des Spenders nicht nur die lebensnotwendigen blutbildende Stammzellen enthält, sondern auch die sogenannten T-Zellen, die den Körper des Empfängers als fremd betrachten und dessen Organe und Gewebe angreifen. Darauf aufbauend entwickelte Prof. Kolb die adoptive Immuntherapie, wodurch die Vorbehandlung mit Chemotherapie oder Bestrahlung eine weitaus geringere Dosis benötigt und damit den Patienten weniger stark belastet.
Mit den Spenden aus der ersten José Carreras Gala, die erstmals im Dezember 1995 live im Fernsehen übertragen wurde, baute Prof. Kolb am Universitätsklinikum München-Großhadern eine beispielhafte Knochenmark-Transplantations-Einheit in Deutschland auf, die am 1. Juni 1997 eröffnet wurde. Mittlerweile werden an deutschen Kliniken pro Jahr über 7000 Stammzelltransplantationen durchgeführt. Nach wie vor kann es aber dabei zu Komplikationen kommen. So tritt bei jedem zweiten Patienten nach einer allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantation die „Graft-versus-Host-Disease“ (Spender-gegen-Wirt-Reaktion oder GvHD) ein. Bei dieser Immunreaktion können bestimmte Gewebe des Patienten, wie Haut, Darm, Leber oder Lunge geschädigt werden. In 15 bis 20 Prozent der Fälle kommt es sogar zu lebensbedrohlichen Reaktionen. Die José Carreras Leukämie-Stiftung fördert deshalb seit Jahren unter anderem am Universitätsklinikum Regensburg ein großes Forschungsprojekt, um diese Komplikation besser in den Griff zu bekommen.
Neben der Stammzelltransplantation und der Immuntherapie ist ein weiterer Schwerpunkt die CAR-T-Zellen-Therapie. Dabei werden im Labor hochwirksame, spezialisierter Immunzellen mit genetisch veränderten Rezeptoren produziert, die später im Körper eingesetzt Leukämie- und Tumorzellen erkennen und gezielt abtöten. Diese Rezeptoren werden CARs genannt, „chimeric antigen receptors“.
Der neue Forschungsansatz geht dahin, bestimmte Risiko-Patienten zu identifizieren und zu behandeln, bevor bei ihnen eine Leukämie ausbricht. Prof. Kolb: „Kinder können einen angeborenen Gendefekt haben, der mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führt, dass sie irgendwann an Leukämie erkranken. Bei älteren Menschen kann sich dieses genetische Risiko im Laufe der Jahre auch entwickeln. Ziel ist es, diese Patienten herauszufiltern, um dann frühzeitig und mit Präzision eine Therapie einzuleiten, damit die lebensbedrohliche Krankheit erst gar nicht ausbricht. Wir stehen zwar noch am Anfang der Forschung, aber dies könnte ein weiterer Schlüssel sein, um Leukämie erfolgreich zu bekämpfen. Wir wollen deshalb verstärkt Forschungsprojekte in diesem Bereich fördern.“
Dr. Ulrike Serini, Geschäftsführerin der José Carreras Leukämie-Stiftung: „Auch in diesem Jahr werden wir unserem Motto ,Jeder Euro hilft Leben zu retten und Leid zu lindern‘ gerecht und unterstützen neben Infrastruktur- und Sozialprojekten allein im Forschungsbereich 18 innovative Forschungsprojekte mit insgesamt über fünf Millionen Euro. Alle Forschungsprojekte wurden intensiv vom Wissenschaftlichen Beirat, der aus den führenden Leukämieforscherinnen und -forschern besteht, begutachtet und von der Mitgliederversammlung, die unter dem Vorsitz von José Carreras in Frankfurt getagt hat, verabschiedet.“
Für die nachhaltige Förderung von Forschungsprojekten ist die José Carreras Leukämie-Stiftung 2019 von der Deutsche Universitätsstiftung und dem Stifterverband als „Wissenschaftsstiftung des Jahres“ ausgezeichnet worden. In der Begründung hieß es, die „Stiftung ist ein großzügiger und uneigennütziger Förderer der Leukämie-Forschung. Ihr Einsatz ist zupackend und vorbildlich: Sie trägt maßgeblich dazu bei, dass neue Wege in Diagnostik und Therapie beschritten werden“.