„Von solchen Fortschritten hätte ich vor dreißig Jahre nicht zu träumen gewagt. Die heutige Behandlung von Leukämie-Patienten ist mit der in den 1990er Jahren nicht vergleichbar. Und viele neue Therapieansätze, die in der Leukämie-Forschung entwickelt wurden, werden heute auch bei der Behandlung anderer Krebsarten erfolgreich eingesetzt“, erklärt Prof. Dr. Andreas Neubauer, Mitglied des Vorstands der José Carreras Leukämie-Stiftung und des Wissenschaftlichen Beirats der Stiftung zum Weltkrebsforschungstag am 24. September.
Interview mit Prof. Dr. Andreas Neubauer zum Weltkrebsforschungstag
Der langjährige Direktor der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Immunologie am Universitätsklinikum Marburg und stellv. Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) ist einer der renommiertesten Leukämie-Forscher in Deutschland und Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Seit seiner Emeritierung im Mai dieses Jahres leitet Neubauer als Senior-Professor das Zentrum für Personalisierte Medizin am Universitätsklinikum Marburg und widmet sich dabei intensiv der Forschung.
„Im Vergleich zu den 1990er Jahren sind die heutigen Therapien nicht mehr wiederzuerkennen“, sagt Prof. Neubauer und macht dies an einem Beispiel deutlich: „Bei der Akuten Promyelozytenleukämie (APL) haben wir damals zwischen 80 und 90 Prozent der Patienten bereits während der Chemotherapie wegen schwerer Gerinnungskomplikationen verloren. Dank medizinischer Forschung brauchen viele APL-Patienten heute noch nicht einmal eine zytostatische Chemotherapie, sondern werden in 95 bis 99 Prozent der Fälle mit einem Vitamin A-Abkömmling und Arsen medikamentös geheilt.“
Auch bei der Chronischen Myeloischen Leukämie (CML) habe die José Carreras Leukämie-Stiftung zahlreiche Forschungsprojekte unterstützt, so Prof. Neubauer: „Anfang der 1990er Jahre mussten wir CML-Patienten möglichst schnell transplantieren, da ohne diesen Eingriff die mittlere Lebenserwartung nur vier bis viereinhalb Jahre betrug. Aber auch nach einer Transplantation verstarben damals immer noch viele Patienten oder litten lebenslang unter Abstoßungsreaktionen. Heute haben CML-Patienten in der Regel eine völlig normale Lebenserwartung und müssen nur eine Tablette am Tag einnehmen. Einige Patienten konnten mittlerweile diese Medikation sogar komplett absetzen. Auch zu diesen Erfolgen haben die José Carreras Leukämie-Stiftung und ihre vielen Unterstützerinnen und Unterstützer maßgeblich beigetragen.“
Von diesen neuen Therapieansätzen profitieren auch andere Krebspatienten, sagt Prof. Neubauer: „Die Leukämie-Forschung war immer ein Paradigma für die gesamte Krebsforschung. Das gilt weltweit. Zum Beispiel haben wir in der Leukämieforschung als erste verstanden, dass bestimmte Viren Krebs auslösen können. Diese Krebsviren sind ein Spiegel unseres eigenen Genoms. Ähnlich der für Leukämie entwickelten Kinasehemmstoffe, werden jetzt auch bei Lungenkrebs solche verwandten Substanzen erfolgreich einsetzt. Der aktuelle Paradigmenwechsel ist jetzt die Immuntherapie, die ebenfalls in der Leukämieforschung vorangetrieben wurde.“
Eine einzige Therapieform werde aber dennoch nicht ausreichen, um die große Vision von José Carreras „Leukämie muss heilbar sein. Immer und bei jedem“ umzusetzen. „Wir brauchen ein ganzes Mosaik. Wir müssen noch ganz viel lernen“, sagt Prof. Neubauer und dämpft überzogene Erwartungen: „Ich glaube nicht, dass es jemals eine Zeit ohne Krebs geben wird – und sollte, was vielleicht zynisch klingt. Der Mensch hat das variabelste Genom aller Lebewesen, die wir kennen. Das Gute daran ist unsere Anpassungsfähigkeit. Der Preis für diese hochvariable Genom ist leider der Krebs. Meine Vision ist, dass wir die Leukämien schneller feststellen und dass die Genom-Typisierung zeitnah stattfindet, damit jeder Patient seine individuelle Therapie erhält. Auf diesem Weg sind wir in den vergangenen Jahrzehnten entscheidende Schritte vorangekommen. Und in diese Richtung laufen wir weiter.“
Das Videointerview mit Prof. Dr. Andreas Neubauer finden Sie weiter unten.
Bitte vormerken:
Um weiter Spenden für den Kampf gegen Leukämie zu sammeln, lädt Weltstar und Stifter José Carreras seit 1995 seine internationalen und nationalen Künstlerfreunde jeweils vor Weihnachten zur großen TV-Benefizgala ein. In diesem Jahr findet die 30. José Carreras Gala am 12. Dezember 2024 in Leipzig statt und wird ab 20.15 Uhr live im MDR übertragen. Alle Informationen unter www.josecarrerasgala.de
Über die Deutsche José Carreras Leukämie-Stiftung
Die José Carreras Leukämie-Stiftung fördert wissenschaftliche Forschungs-, Infrastruktur und Sozialprojekte. 1987 erkrankte Stifter José Carreras an Leukämie. Aus Dankbarkeit über die eigene Heilung gründete er 1995 den gemeinnützigen Deutsche José Carreras Leukämie-Stiftung e.V. und anschließend die dazugehörige Stiftung. Seither wurden bereits circa 245 Millionen Euro an Spenden gesammelt und über 1.500 Projekte finanziert, die den Bau von Forschungs- und Behandlungseinrichtungen, die Erforschung und Heilung von Leukämie und anderer hämato-onkologischer Erkrankungen, die Förderung von jungen Wissenschaftlern im Rahmen von Stipendienprogrammen sowie die Unterstützung der Arbeit von Selbsthilfegruppen und Elterninitiativen zum Ziel haben. 2019 wurde die José Carreras Leukämie-Stiftung von der Deutschen Universitätsstiftung und dem Stifterverband als Wissenschaftsstiftung des Jahres ausgezeichnet. Der Deutsche José Carreras Leukämie-Stiftung e.V. ist Träger des DZI Spenden-Siegels, dem Gütesiegel im deutschen Spendenwesen.