Interview mit Prof. Dr. Marion Subklewe
Frau Prof. Subklewe, was ist Blutkrebs, und was sind Leukämien?
Prof. Dr. Marion Subklewe: Blutkrebs beschreibt verschiedene Erkrankungen, die ihren Ursprung im blutbildenden System haben. Die bekannteste und häufigste Form ist die Leukämie. Hierbei vermehren sich Stammzellen, also die Vorläuferzellen des blutbildenden Systems, unkontrolliert und führen zu einer Verdrängung der gesunden Blutbildung. Das hat zur Konsequenz, dass die Patienten weniger Sauerstoffträger und ein erhöhtes Risiko für Infektionen haben. Außerdem wird die Bildung der Substanzen, die für die Blutgerinnung zuständig sind, verringert. Dadurch erhöht sich wiederum die Blutungsneigung.
Es gibt verschiedene Arten von Leukämien. Als besonders bösartig gilt die akute myeloische Leukämie, kurz AML. Für welche Patientengruppen ist das Risiko, an einer AML zu erkranken besonders hoch?
Prof. Dr. Marion Subklewe: AML ist die häufigste akute Leukämie im Erwachsenenalter und hat ihren Ursprung in den Stammzellen der Blutbildung. Häufig kann diese Krankheit schnell entstehen und zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen.
Eines Ihrer Forschungsschwerpunkte geht der Frage nach, wie man nach einer erfolgreichen Therapie feststellen kann, ob ein Patient rückfallgefährdet ist. Wie funktioniert diese Untersuchung?
Prof. Dr. Marion Subklewe: Wir haben im Labor Methoden entwickelt, die eine sehr geringe Resterkrankung der Leukämie in Knochenmarksproben nachweisen können. Entsprechend führen wir nach einer abgeschlossenen Behandlung regelmäßig Knochenmarksuntersuchungen durch und können einen drohenden Rückfall der Erkrankung frühzeitig erkennen. Das ermöglicht uns, weitere Therapieschritte rechtzeitig einzuleiten.
Wie versuchen Sie diesen betroffenen Patienten zu helfen?
Prof. Dr. Marion Subklewe: Der Nachweis einer minimalen Resterkrankung, ist Ansatzpunkt für viele neue Therapiestudien. Wir haben in der Vergangenheit für diese Patienten eine zellbasierte Impfung entwickelt und in einer klinischen Studie geprüft. Hierbei wurde dem Patienten Blut entnommen und dieses im Labor zu aktivierenden Immunzellen verarbeitet. Anschließend wurden diese aufgearbeiteten Zellen dem Patienten in mehreren Dosen gespritzt, um das eigene Immunsystem gegen die Bekämpfung der Restleukämie zu aktivieren.
Wie sind die ersten Ergebnisse?
Prof. Dr. Marion Subklewe: Bei dieser Immuntherapie handelt es sich um ein komplexes Verfahren, da die Zellen individuell für jeden Patienten hergestellt werden müssen. In einer frühen Phase-1-Studie konnten wir insgesamt 12 Patienten behandeln. Wir konnten erstens zeigen, dass die Verträglichkeit der Therapie exzellent ist, diese Methode also sicher ist. Und zweitens konnten wir feststellen, dass bei einem Großteil der Patienten das Immunsystem gegen die Leukämie aktiviert werden konnte. Bei der Mehrheit der Patienten trat sogar kein Rückfall auf. Das macht uns Mut, diesen Ansatz weiter zu verfolgen und die Immuntherapie entsprechend zu verbessern.
Ist die Immuntherapie der Schlüssel zum Erfolg, für ein Leben ohne Leukämie? Oder gar für ein Leben ohne Krebs?
Prof. Dr. Marion Subklewe: Ich glaube, dass die Immuntherapie die Zukunft ist. Allerdings setzen wir auch bei anderen Therapien häufig nicht nur eine einzelne Substanz ein. Wir werden deshalb wahrscheinlich auch bei der Immuntherapie klug kombinieren müssen, um die Effektivität weiter zu verstärken. Wir wissen bereits, dass die Immuntherapie bei der Behandlung einer akuten lymphatischen Leukämie bei Kindern sehr erfolgreich sein kann. Das macht uns auch bei der Entwicklung von Immuntherapien bei der AML sehr optimistisch. Bei anderen Krebsarten, wie Brust- oder Dickdarmkrebs, ist man noch ganz am Anfang, aber auch hier versucht man, die erfolgreichen Therapieprinzipien zu übertragen.
Die José Carreras Leukämie-Stiftung unterstützt seit über 25 Jahren die medizinische Forschung im Kampf gegen Leukämie sowie gegen andere bösartige Blut- oder Knochenmarkserkrankungen. So wurde bei Ihnen am Klinikum Großhadern bereits vor einem Vierteljahrhundert die erste Knochenmarkstransplantations-Einheit in Deutschland durch Spenden der José Carreras Leukämie-Stiftung realisiert. Wie wichtig ist diese Unterstützung in der heutigen Zeit?
Prof. Dr. Marion Subklewe: Diese Unterstützung ist extrem wichtig. Die große Mehrheit der Forschung, die wir am Klinikum durchführen, wird durch Drittmittel und Förderungen unter anderem durch Stiftungen finanziert. Wir sind leider noch nicht am Ziel, das heißt „jede Leukämie muss heilbar sein“, aber unser Verständnis für die verschiedenen Subtypen der Leukämie und die Unterschiede in der Behandlung sind enorm gewachsen. Unser Ziel ist es, jedem Patienten mit Leukämie eine auf den Patienten und den Leukämie-Subtyp angepasste Therapie anbieten zu können. Wir wollen Leukämie heilen und die Lebensqualität unter und nach der Therapie verbessern.
Hier finden Sie das Video-Interview über neue Therapien bei Leukämien mit Prof. Dr. Marion Subklewe.